// Interoperabilität INTEROPERABILITÄT Was ist das eigentlich und warum überhaupt? Dr. Frank Oemig arbeitet als Senior eHealth Architect bei der Deutsche Telekom Healthcare and Security Solutions GmbH. Er ist auf Komitee-, Arbeitsgruppen- und/oder Vorstandsebene von HL7 International (USA), HL7 Deutschland, IHE Deutschland, bvitg, BITKOM, DIN und GMDS aktiv, um Interoperabilitätsfragen zu bearbeiten. In vorhergehenden Tätigkeiten war er mehrere Jahre lang Solu- tions Manager, Produktmanager, Systementwickler, Berater für Systemintegrati- onsfragen und Trainer für Kommunikationsstandards. Experteninterview mit Dr. Frank Oemig, Senior eHealth Architect, Deutsche Tele kom Healthcare and Security Solu- tions GmbH Herr Dr. Oemig, was ist das Wesen der Interoperabilität? Heilberufler müssen zusammenarbei- ten, und das nicht erst seit heute und ge- gebenenfalls auch über Abteilungs- und Einrichtungsgrenzen hinweg. Dazu be- nötigen die Beteiligten erlerntes Wissen und Wissen über den Patienten, um ihn zielgerichtet versorgen zu können. Dieses letztgenannte Wissen muss rechtzeitig kommuniziert werden. In einer Einrich- tung ist das aufgrund gemeinsam genutz- ter Informationssysteme noch relativ leicht zu erreichen, über diese Grenzen hinweg wird es jedoch mitunter sehr schwierig bis gar unmöglich. Wie hängen Wissen und Information zu- sammen? Das Detailwissen über einen Patienten wird in Form von Daten zwischen Informa- tionssystemen ausgetauscht. Erst das er- lernte Wissen der handelnden Personen macht aus den Daten die notwendigen Informationen. Dieser Datenaustausch er- fordert „semantische Interoperabilität“ zwi- schen den Akteuren – den Systemen und den Personen. Das IEEE1-Lexikon definiert hierbei Interoperabilität, vereinfacht aus- 20 // Refresh IT! gedrückt, als die Fähigkeit zweier Systeme, Informationen auszutauschen und zu benutzen. Damit stellen sich zwei Fragen: a) Können die Informationssysteme über- haupt Daten austauschen? b) Haben die ausgetauschten Daten in ihrer Verwendung die gleiche Bedeutung, damit sie „einfach“ wiederverwendet werden können? Da Daten heute zwischen vielen Informa - tionssystemen gesammelt, aufbereitet, verarbeitet und weitergegeben werden, kann man doch vom reibungslosen Daten- austausch ausgehen? Jein – a) lässt sich meistens irgendwie einrichten, aber für b) muss hinterfragt werden, ob zum Beispiel ein Datum bei all diesen Transaktionen seine eigentli- che Bedeutung beibehält oder zweckent- fremdet bis verfälscht wird? Um das wie- derum beantworten zu können, müsste präzise bekannt sein, was ursprünglich mit einem bestimmten Datum überhaupt gemeint war, als es der Erfasser in das System eingegeben hat. Was geschieht, wenn immer wieder neue Spezifikationen für den Datenaus- tausch auftauchen? Die verschiedenen Spezifikationen verlangen bestimmte Daten, also Infor- mationen, die aus Empfängersicht fest- gelegt worden sind. Man darf sich nicht wundern, wenn das nächstbeste Datum geliefert wird und der Empfänger sich dann damit zufriedengibt bzw. -geben muss. Können Sie uns ein Beispiel geben? Ganz einfach. Haben wir in Deutsch- land eigentlich einmal präzise und voll- ständig definiert, was eine Diagnose ist und was sie enthält, oder hat das jeder für sich gemacht, weil es ja eigentlich klar ist? Was würden Sie empfehlen? Genau genommen brauchen wir kon- krete, kleine medizinische Informations- bausteine, die übergreifend immer wieder verwendet werden, sodass wir sicher sein können, immer auf die gleichen Daten zuzugreifen. Denn auch das ist Inter- operabilität: die Wiederverwendung von Spezifikationen. Wenn man diese Forde- rung einmal mit den bisherigen und auch den aktuellen Geschehnissen vergleicht, dann muss festgehalten werden dürfen, dass wir in Deutschland noch einen wei- ten Weg vor uns haben. Aber vielleicht kommt das ja noch alles irgendwann – ich gebe die Hoffnung nicht auf. 1 Institute of Electrical and Electronics Engineers refresh-it@telekom-healthcare.com Frank Oemig